Dieser Artikel beleuchtet die oft verborgenen Ursachen des „Stillen Refluxes“ und zeigt, wie vielfältige Beschwerden entstehen können, wenn Mageninhalte unbemerkt die Atemwege erreichen und dort chronische Reizungen verursachen.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
das Thema „Stiller Reflux“ ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus gerückt und scheint beinahe „in Mode“ gekommen zu sein. Viele fragen sich: Wurde hier etwas völlig Neues entdeckt? Tatsächlich verbirgt sich dahinter der „respiratorische Reflux“. Diese Bezeichnung entstand in einer Zeit, als die Zusammenhänge zwischen Reflux und Atemwegsbeschwerden noch nicht vollständig geklärt waren. Doch was steckt genau dahinter?
Die Verdauungssäfte im Magen, vor allem die Pepsine – aggressive Enzyme, die Proteine abbauen – spielen eine zentrale Rolle. Normalerweise werden diese Enzyme streng durch Nervenimpulse und Hormone im Magen kontrolliert. Wenn jedoch der Verschluss zwischen Magen und Speiseröhre nicht richtig funktioniert, können diese Substanzen nach oben entweichen. Während die Magensäure eher flüssig bleibt, steigen Pepsine oft in gasförmiger Form als Aerosole auf. Die Speiseröhre dient dabei wie ein „Schornstein“, durch den die Pepsine nach oben in den Rachen gelangen. Zusätzlich wird zunehmend diskutiert, dass Gallensäuren aus dem Zwölffingerdarm bis in die Speiseröhre und darüber hinaus gelangen können.
Diese Substanzen können die Schleimhäute von Rachen, Kehlkopf, Mund, Nasennebenhöhlen und sogar die Bronchien reizen. Nicht selten gelangen sie beim Einatmen in die Lungen und können asthmaähnliche Symptome auslösen. Sie können über die Eustach’sche Röhre das Mittelohr erreichen oder über die Tränengänge zu den Augen wandern, was zu roten Augen, Hautreizungen und chronischen Mittelohrentzündungen führen kann. Der Begriff „respiratorischer Reflux“ beschreibt dieses Krankheitsbild daher präziser als „Stiller Reflux“, der aus der medizinischen Entwicklungsgeschichte stammt.
Die Folgen sind weitreichend und variieren je nach betroffenem Organ: Husten, Atemnot und asthmaartige Anfälle entstehen durch die Reizung der Bronchien, während Kehlkopfentzündungen Heiserkeit und einen ständigen Räusperzwang auslösen. Die Nasennebenhöhlen schwellen häufig über Nacht an, viele Patienten entwickeln plötzlich Schnarchprobleme und lassen sich sogar ohne Erfolg an den Nasennebenhöhlen operieren, weil die wahre Ursache des Problems unentdeckt bleibt. Das Immunsystem und die Zellregeneration sind ständig gefordert, um die Entzündungen in den Griff zu bekommen – ein Prozess, der Kraft kostet und sich auf das gesamte Wohlbefinden auswirkt.
Ein Patient beschrieb seine siebenjährige Odyssee wie folgt: „Seit 2013 habe ich Probleme mit den Atemwegen und den Nebenhöhlen: zäher Schleim im Rachen, ständiges Räuspern und starke Erschöpfung. Verschiedene Ärzte, Lungenfachärzte und HNO-Ärzte, verschrieben mir Kortisonspray und führten sogar eine Operation an den Nebenhöhlen durch – alles ohne Besserung. Die Symptome sind nach wie vor dieselben, und meine Lebensqualität leidet massiv. Auch doppelte Dosen an Säureblockern brachten keinen Erfolg. Ich frage mich: Warum bin ich so erschöpft?“
Diese Odyssee zeigt, wie Patienten jahrelang von Arzt zu Arzt geschickt werden, ohne dass die wahre Ursache erkannt wird. Mit dem Wissen aus diesem Artikel könnten viele dieser Patienten die wahren Ursachen ihrer Beschwerden schneller verstehen und gezielter angehen.
Dr. med. Eckhard Löhde