Diagnostik
November 1, 2024

Schwierige Diagnostik - Warum?

Die Diagnose von Zwerchfellbrüchen und Reflux kann durch widersprüchliche Befunde erschwert werden, da verschiedene Untersuchungen – von Magenspiegelung bis Röntgen – oft nur Momentaufnahmen bieten. Eine präzise Diagnose, unterstützt durch die genaue Schilderung der Symptome, ist jedoch essenziell, besonders bei der Entscheidung für chirurgische Eingriffe.

Sehr verehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser!

Immer wieder werden Sie erleben, dass Untersuchungsbefunde unklar sind, von Ärzten unterschiedlich bewertet werden und sich sogar widersprechen. Die eine Magenspiegelung zeigt einen kleinen Bruch, die nächste gar keinen und die übernächste sogar einen großen. Im Röntgen-Breischluck ist dieser dann aber plötzlich wieder verschwunden und es gibt gar keinen Reflux! Das MRT findet einen unauffälligen Normalbefund, die Lungenfunktionsprüfung zeigt gute Werte wie auch das EKG und Blutlabor. So blättert sich auch der Hausarzt durch all die Befunde hindurch und am Ende bleiben mehr Fragen als Antworten. Warum ist das so?

Der Weg zur richtigen Diagnose ist beim Zwerchfellbruch sehr komplex

Aber die richtige Diagnose ist immer der entscheidende Schlüssel, um eine Erkrankung heilen zu können! Aber diese „richtige Diagnose“ ist bei Erkrankungen des Zwerchfells oft schwer stellen. Warum ist das so?

Das Zwerchfell hat zwar eine Ausdehnung etwa so groß wie zwei DIN A4 Blätter, aber es ist hauchdünn, spannt sich als gewölbte Membran in allen 3 Ebenen im Körper aus und verändert seine Lage ständig mit jedem Atemzug. Dadurch vermag keine Untersuchung das Zwerchfell in Gänze zu erfassen, so wie wir es von der Lunge oder dem Herzen her kennen.

Zudem sind viele Organe wie das Herz, der Magen, die Speiseröhre, die Leber, die Lungen, die Milz unmittelbar mit dem Zwerchfell fest verwachsen und eine klare Abgrenzung ist mitunter schwer. Durch diese Besonderheiten entzieht sich das Zwerchfell mehr als alle anderen Organe der bildgebenden Diagnostik: Während das MRT jede kleinste Veränderung im Gehirn erkennt und ein nur 1 mm großer Gallenblasenpolyp im Ultraschall auffällt, bleibt ein 3cm(!) großer Riss im Zwerchfell nicht selten unentdeckt.

Magenspiegelung, Röntgen oder pH-Metrie?

Die größte Bedeutung in der Diagnostik hat noch immer die Magenspiegelung. Zwar kann auch sie das Zwerchfell nicht direkt betrachten, aber immerhin kann man über die Verschiebung des Magens und das sich durchdrückende Relief der Zwerchfellmuskulatur indirekt auf die Situation im Hiatus rückschließen. Das ist schon viel wert. Aber auch sie ist fehleranfällig: Ein unterschiedlicher Gasdruck beim Aufblasen des Magens lässt eine Hernie unterschiedlich groß oder auch klein erscheinen. Die wichtige Befunddokumentation mittels Fotos erfolgt immer seltener. Probenentnahmen erfolgen an der falschen Stelle und nicht in der Speiseröhre. Das ist gerade im Rahmen der Barrett-Diagnostik kritisch. Zur ärztlichen Befundbesprechung wird stets an den Hausarzt zur Therapieplanung verwiesen, der wiederum die Untersuchung gar nicht vorgenommen hat.

Viele Patienten fragen mich, warum könne man eigentlich einen Reflux nicht eindeutig im Röntgen-Breischluck erkennen? Schließlich läuft die Säure ja auch nach oben. Das müsste doch das Rö-Kontrastmittel ebenso machen! Auch hier trügt die Hoffnung. Die Breischluckuntersuchung ist lediglich eine Momentaufnahme, die Patienten sind stets nüchtern und es gibt nur wenig Zeit bei der Durchleuchtung, um einem Reflux auf die Spur zu kommen. Patienten wissen sehr gut, dass Säure nicht immer sofort nach oben schießt, sobald sie sich einmal hinlegen. Es erst vielleicht nach dem Essen, beim Bücken oder nach unverträglichen Speisen. Das wird alles nicht berücksichtig. So zeigt das Röntgen in diesem kurzen Moment der Untersuchung oft, dass kein Kontrastmittel in die Speiseröhre aufsteigt. Damit gilt eine Refluxerkrankung  als ausgeschlossen und die lange Suche nach anderen Ursachen beginnt.

Die pH-Metrie in der Speiseröhre, also die Messung zurückfließender Säure über 24 Stunden mit Hilfe einer Sonde oder der "Bravo"-Kapsel in der Speiseröhre, erweist sich im Alltag als recht gutes Messinstrument. Damit gibt es zumindest einen Anhalt, ob das Verschlusssystem funktioniert oder nicht. Die Auswertung ist kompliziert, Geräte fallen während der Messung aus oder die Messonden lagen verkehrt.  Sie sehen, es ist nicht immer so ganz einfach, zuverlässige Daten zu erheben.

Die Säuremessung im Rachen nennt man „Restech-Untersuchung“. Sie kann bei der Frage des respiratorischen bzw. „Stillen Reflux“ hilfreich sein. Wichtiger ist aber die HNO-ärztliche Untersuchung durch Kollegen, die mit den Folgen einer Refluxerkrankung im Kehlkopfbereich und dem Erscheinungsbild einer Laryngitis gastrica vertraut sind.

Warum ist dies alles für uns von so entscheidender Bedeutung?

In der konservativen Behandlung der Refluxerkrankung werden standardmäßig Protonenpumpenblocker (PPI) verschrieben. Für diese Form der Therapie ist es letztlich ohne Belang, ob es sich um einen kleinen oder großen Bruch handelt, ob es sich um eine axiale oder paraösophageale Hernie handelt oder ob ein Barrett vorliegt oder nicht. Es ist immer dieselbe Therapie: Die PPI-Medikation. Wenn das Präparat hilft, ist es gut, wenn es nicht recht hilft, wird die Dosis erhöht.

In der Chirurgie ist das vollkommen anders! Die Entscheidung zur Durchführung einer Reflux-Operation hat eine andere Dimension als die Verschreibung eines Säureblockers. Eine Operation kann niemals mehr aus dem Leben des Patienten gestrichen werden. Eine Operation hinterlässt immer bleibende Spuren im Körper - möglichst hin zum Guten aber auch nicht immer! Daher gilt: Bei jedem Patienten müssen diese weitreichenden Konsequenzen, die individuellen Risiken und die Erfolgschancen des Eingriffs berücksichtigt werden. Dafür ist es unerlässlich, dass der Chirurg seine Entscheidung auf fundierte Befunde stützt und alle möglichen Fehlerquellen bei Voruntersuchungen genau einzuschätzen weiß. Aber gerade in der Zwerchfelldiagnostik tauchen diese Widersprüchlichkeiten so häufig auf.

Aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir: Befunde geben fraglos wichtige Hinweise. Aber die entscheidendste diagnostische Information bekommen wir von den Patienten selbst. Durch seine Schilderungen weist uns der Körper sehr genau den Weg zu seinem Problem. Genau dort gilt es anzusetzen.

Ihr
PD Dr. med. Eckhard Löhde

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