Diagnostik
December 4, 2024

Krebs durch Reflux? Das steckt hinter "Barrett"!

Der Barrett-Ösophagus ist eine durch Reflux bedingte Zellveränderung in der Speiseröhre, die ein erhöhtes, aber geringes Risiko für Speiseröhrenkrebs birgt. Regelmäßige Überwachung und frühzeitige Behandlung können helfen, das Fortschreiten dieser Veränderungen zu verhindern und Beschwerden zu lindern.

Sehr verehrte Leserinnen, sehr geehrter Leser!

Als Patient mit Refluxbeschwerden werden sie den Begriff „Barrett-Ösophagus“ sicherlich schon gehört haben. Dieses Thema wird seit Jahrzehnten in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Auch haben sich Erkenntnisse zum Barrett über die Zeit erheblich verändert, aber die Studienlage ist noch immer breit gefächert.  Ich darf ihnen den Kern des heutigen Wissens vermitteln:

Der Barrett-Ösophagus ist vom britischen Chirurgen Norman Rupert Barrett in den 50er Jahren erstmalig beschrieben und in die Nomenklatur der Medizin eingeführt worden. Verkürzt als Barrett werden heute durch Reflux verursachte Zellveränderungen in der unteren Speiseröhre bezeichnet. Die zarten und hilflosenSchleimhäute in der Speiseröhre werden durch die aufsteigenden Magensäuren so sehr gequält, dass sie nach Wegen suchen, um sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Die biologische Idee ist, sich in Magenschleimhaut umzuwandeln, denn Magenschleimhaut besitzt ja diese enorme Widerstandsfähigkeit gegen  Säuren und Verdauungsenzyme. Der Plan ist grundsätzlich nicht schlecht und in der Folge entstehen tatsächlich Zellen, die an Magenschleimhautzellen erinnern. Aber echte Magenzellen können sich natürlich nicht ausbilden und so endet alles in diesen fehlgebildeten Barrett-Zellen - leider mit dem Risiko einer weiteren Fehlbildung bis hin zu Krebsstadien.

In den 90er Jahren vermutete man, dass das Risiko für die Entwicklung eines Speiseröhrenkrebses bei einem Barrett-Ösophagus sei um mehr als das 100fache(!) erhöht. Aber diese Studienergebnisse haben sich im Verlauf der Zeit nicht bestätigt, sondern das Risiko ist viel geringer. Insbesondere können mittlerweile unterschiedlichen Stadien der Zellveränderung unterschieden werden. Das weitaus häufigste Stadium ist die sog. Metaplasie, also das allererste Barrett-Stadium. Die Zunahme von Magenspiegelungen und der Einsatz neuer Medikamente haben dazu beitragen, die Entwicklung höhergradiger Zellveränderungen einzudämmen.

Heute gilt das Krebsrisiko der Barrett-Metaplasie als geringer und ist kein Grund, allzu große Ängste vor einem plötzlich auftretenden Speiseröhrenkrebs zu entwickeln. Der Befund sollte in Ruhe alle drei-vier Jahre endoskopisch mit einer Probenabnahme kontrolliert werden. Weisen die Barrett-Zellen schließlich doch höhere Stadien der Entartung auf, ist das kein gutes Zeichen! Der Schädigungsprozess ist durch die Behandlung nicht aufgehalten worden. Das ist schlecht und eine Abschälung und Hitzezerstörung der Schleimhäute  mit dem Endoskop wird erforderlich. Es gilt also, achtsam zu sein und sich um die Speiseröhre auch im Rahmen der Ernährung zu kümmern. Viele Patienten spüren oft eine innere Unruhe mit dem Gefühl, ein Art Zeitbombe in sich zu tragen.

Wichtig für Sie zu wissen: Das Auftreten von Barrett-Zellen ist kein Zufall sondern immer(!) ein verzweifelter Hilferuf der Speiseröhre!  Es ist immer eine Zeichen eines gastro-ösophagealen Refluxes und muss frühzeitig und richtig behandelt werden. Am besten ist es wie immer, die Entstehung eines Barrett durch die richtige Therapie rechtzeitig aufzuhalten. Das Folgende hat mir ein Patient geschrieben, bei dem es trotz der schlimmen Symptome viel zu lange gedauert hat, bis endlich die richtige Diagnose gefunden und die Therapie eingeleitet wurde:

„Nachts aufwachen wegen Atembeschwerden beim Liegen, Schlaf kaum möglich, trockener Hals, Schluckprobleme, Kloß im Hals, Puls hoch bei Atembeschwerden. Wegen der Halsschmerzen, Brennen im Mund- Zunge und Gaumenbrennen zum Hausarzt, dann HNO. Reizungen sonst ok. Dann zum Lungenfacharzt: Tumorsuche! Sono, Histamin-Test, Allergie, EKG, Labor, MRT-Schädel. Magenspiegelung: alles ist in Ordnung nur geringe Ösophagitis. PH-Metrie: 2,0 besser als normal. Endlich die Diagnose: „Hypersensitiver Ösophagus“. Aber was nun? Soll damit leben. Mit der Zeit weitere Verschlechterung. Nur stilles Wasser, strenge Diät, erhöhtes Schlafen. Manche Nacht im Sessel. Brennen, Kloß im Hals, Schlucken immer schlimmer. Traue mich kaum mehr zu essen. Gewicht wird immer weniger. Beziehung zu meiner Freundin auf schwere Probe gestellt. Immer wieder zum HNO, kein Tumor! Wie schön aber wie werde ich gesund? Hausarzt vermutet „burn out“, weil ich auch tatsächlich sehr erschöpft bin. Augenränder, belegte Zunge. Tabletten lehne ich ab. Irgendwann erneute Magenspiegelung, diesmal woanders. Diesmal kleine Hiatushernie gesehen mit Probenentnahme in der Speiseröhre. Ergebnis: Barrett-Ösophagus! Das war ein Tiefschlag. Jetzt PPI 2x40mg. Darunter geht es besser...“

Ja, es ist tückisch, wenn der Magenspiegelung und der pH-Metrie mehr vertraut wird als den Beschwerden des Patienten. Alle Untersuchungen ohne Ausnahme (!) haben stets eine Fehlerquote und können den tatsächlichen Befund übersehen. So lief hier der Schädigungsprozess in der Speiseröhre ungebremst immer weiter, bis den Zellen kein anderer Weg bleib, als die Barrett-Veränderung.

Ihr
PD Dr. med. Eckhard Löhde

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