Wie Gallereflux entsteht, welche Risiken er birgt und warum eine gezielte Behandlung essenziell ist.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Gallereflux, auch DGER (DuodenoGastroEsophageal Reflux) genannt, ist ein häufiges, aber oft übersehenes Problem bei Patienten mit Zwerchfellbruch und Reflux. Beim DGER fließen Gallensäuren vom Zwölffingerdarm in den Magen und dann weiter in die Speiseröhre – und das birgt besondere Risiken. Während der Magen ein extrem saures Milieu mit einem pH-Wert von 1-2 benötigt, herrscht im Zwölffingerdarm ein alkalisches Umfeld mit einem pH-Wert von 8-8,5, das für die Verdauung essentiell ist. Hier setzen Gallensäuren ein, die von der Leber gebildet und in die Gallenblase gespeichert werden, bevor sie in den Zwölffingerdarm freigesetzt werden, um die Magensäure zu neutralisieren und die Verdauung zu unterstützen.
Diese strikte Trennung der verschiedenen Verdauungskompartimente wird vom Magenpförtner – einer Art Ventil – überwacht, der den Magen vom Zwölffingerdarm trennt und normalerweise verhindert, dass Gallensäuren zurück in den Magen fließen. Doch bei Patienten mit Reflux und Zwerchfellbruch funktioniert dieser Schutzmechanismus oft nicht mehr optimal. Studien zeigen, dass bei schwerer Refluxerkrankung, insbesondere bei Entzündungen oder Barrett-Syndrom, häufig Gallensäuren im Magen gefunden werden, was auf eine erhöhte DGER-Belastung hindeutet.
Aber wie kommt es dazu? Wenn das Verschlusssystem zwischen Magen und Speiseröhre geschwächt ist, reagiert der Körper oft auf die Magensäure, die die Speiseröhre angreift, indem er alkalische Gallensäuren aus dem Zwölffingerdarm zurückfließen lässt, um die Säure zu neutralisieren. Infolgedessen steigt der pH-Wert im Magen auf 7, was paradoxerweise zu „alkalischem Reflux“ führt – einem Phänomen, das viele Patienten überrascht, die unter saurem Sodbrennen leiden.
Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Protonenpumpenhemmer (PPI), die die Säurebildung im Magen blockieren, die Konzentration von Gallensäuren im Magensaft senken können. Dadurch wird die Speiseröhre besser geschützt, ohne dass Gallensäuren zur Neutralisierung der Magensäure zurückfließen müssen. Doch diese Entlastung hat ihre Grenzen: Gallensäuren, insbesondere Desoxycholsäure, sind in saurem Milieu hoch toxisch und können die Zellen in der Speiseröhre stark schädigen.
Was bedeutet das für Sie als Patient? Der DGER ist eng mit der Refluxkrankheit verbunden und sollte bei chronischen Entzündungen oder Barrett-Syndrom ernst genommen werden. Eine regelmäßige PPI-Einnahme kann Gallereflux reduzieren, und eine Ernährung reich an Antioxidantien kann unterstützend wirken. Doch der langfristig sicherste Weg ist die anatomisch korrekte Wiederherstellung des Verschlusssystems zwischen Magen und Speiseröhre durch eine gezielte Operation.
Mit dieser Perspektive auf das „System Mensch“ hoffe ich, Ihnen einen Einblick in die komplexen, aber faszinierenden Reaktionen unseres Körpers auf Funktionsstörungen gegeben zu haben.
Dr. med. Eckhard Löhde