Heute wissen wir: Entscheidend für die Refluxkontrolle ist nicht der Winkel selbst, sondern die anatomisch korrekte Position der Organe im Körper.
Der Internist Wilhelm His 1863-1934 wurde als eines von 6 Kindern des angesehenen Anatom und Physiologen gleichen Namens Wilhelm His geboren. Etliche noch heute bedeutsame Entdeckungen insbesondere zum Reizleitungssystem des Herzens wurden nach ihm benannt.
Aber er widmete sich auch der Frage des Refluxes. Ihm fiel ihm auf, dass der Magen, von vorne gesehen und bei intaktem Zwerchfell, immer in einem spitzen Winkel zur Speiseröhre steht. Ursache ist, dass die Speiseröhre etwas mehr seitlich in den Magen mündet und nicht einfach ganz oben in die Spitze. Dieser dadurch entstehende, individuell sehr unterschiedliche Winkel liegt etwa zwischen 30 und 70 Grad.
Nun beobachtete er bei Obduktionen, dass bei Reflux-Patienten zum einen der Magen durch das Zwerchfell hochgerutscht war, und zum anderen, dass sich tatsächlich eben dieser Winkel entsprechend verändert hatte: Je höher der Magen glitt, desto abgeflachter war der Winkel.
Sollte möglicherweise dieser Winkel für die Refluxkontrolle von Bedeutung sein? Also war die Abflachung vielleicht nicht nur unbedeutende Folge der Organverschiebung sondern beeinflusste tatsächlich auch die Refluxkontrolle?
Das war eine faszinierende Hypothese für die medizinische Gesellschaft. Denn damals wie heute fanden die Forscher in mikroskopische Untersuchungen weder an Speiseröhre noch am Magen irgendwelche Zeichen einer Erkrankung oder einer Muskelschwäche. Auch gab es auch damals keinen Anhalt für einen verschließenden Sphinkter, der erschlafft sein könnte. Die Organe war gesund und unauffällig, nur sie waren eben verrutscht. Die einzige anatomisch fassbare Veränderung blieb dieser veränderte Winkel.
Darum benannte benannte der Professor ihn als den „His´schen Winkel“.
Es wurde heftig diskutiert und gestritten, wie immer, wenn keiner etwas wirklich weiß. Alsbald erfolgten die ersten Operationen mit entsprechender Korrektur des His´schen Winkels. Die Spannung war groß, die Ergebnisse ernüchternd: die Patienten hatten nach der Operation ebenso starken Reflux wie zuvor.
Dann hoben Allison et al. in Ihren Forschungen einen entscheidenden Punkt hervor: Die Bedeutung des Zwerchfells! Allison beschrieb, die Zwerchfellschenkel als stabile Pfeiler, die für die Ordnung der Organe wichtig sind. Bricht das Zwerchfell, geht dieser wichtige Halteanker verloren und die Organe verschieben sich.
Die fundamentale Erkenntnis können wir heute durch unseren eigenen Forschungen bestätigen. Wie dicht waren die Kollegen damals der Wahrheit nähergekommen und hätten fast der Medizin den Irrweg über die Speiseröhrenumwicklung und Fundoplikatio erspart! Aber es gab noch kein Cardio-MRT, so wie heute. Daher konnten die Kollegen das ineinandergreifende Zusammenspiel von schlagendem Herzen, Zwerchfell und Speiseröhre noch nicht erkennen.
Heute wissen wir, der His´sche Winkel hat, wie damals schon herausgefunden, tatsächlich nichts mit der natürlichen Refluxkontrolle zu tun. Er zeigt uns nur an, dass die Organe in ihrer Lage verrutscht sind. Mehr nicht.
Daher gilt es, gerade diese Anordnung und Zusammenarbeit der Organe 3-dimensional in den unterschiedlichen Ebenen zu erfassen und zu korrigieren. Werden die Organe wieder anatomisch in Ihre Lage zurückgeführt, kehrt ihre Funktion zurück. Auch der His´sche Winkel ist wieder regelhaft, weil nun alles dort liegt, wo es hingehört.
Ihr
PD Dr. med. Eckhard Löhde